Ein gut laufendes Aquarium ist ein in sich mehr oder weniger geschlossenes Ökosystem. Bis es so weit ist, ist es jedoch ein weiter Weg. In unserem Aquascaping-Wiki-Artikel Der Stickstoffkreislauf im Aquarium erklären wir genau, wie der biologische Kreislauf im Aquarium funktioniert, daher hier nur kurz: Im Aquarium sorgen nützliche Bakterien - auch Filterbakterien genannt - dafür, dass organische Abfälle aus Futterresten, den Ausscheidungen der Fische und Wirbellosen, Pflanzenreste und alles, was sonst noch an organischen Resten anfällt, abgebaut und verstoffwechselt werden. Das geht über mehrere Stufen, an denen unterschiedliche Bakterien beteiligt sind, und bis diese Kette ordentlich funktioniert, kann es eine Weile dauern. Ein neu eingerichtetes Aquarium oder Aquascape ist aus diesem Grund erst einmal noch ein recht fragiles Konstrukt.
Ein neu eingerichtetes Nano-Aquarium.
Die Stickstoff-Abbaukette
Oft hört man, dass ein neu eingerichtetes Aquarium oder Aquascape erst einmal "einfahren" muss. Darunter versteht man genau das: Dass die biologische Abbaukette in Gang kommt und dass die Bakterien anfangen zu arbeiten. Dabei wird zunächst Eiweiß zu Ammonium oder - in Abhängigkeit vom pH-Wert zu Ammoniak verstoffwechselt. Das wiederum verarbeiten die Filterbakterien zu fischgiftigem Nitrit, dann kümmern sich andere Bakterienarten darum, das giftige Nitrit zu relativ harmlosem Nitrat umzuwandeln. Da die einzelnen Bakterienstämme in einem frischen Aquarium noch nicht wirklich vorhanden sind, müssen sie sich erst entwickeln.
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Die Filterbakterien - oder Wie kommen die Bakterien ins Aquarium?
Abwarten
Interessanterweise handelt es sich bei den Bakterien, die am Stickstoffkreislauf beteiligt sind, nicht um rein aquatil lebende Mikroorganismen, im Gegenteil. Eigentlich handelt es sich hier um Bodenbakterien, die nur in ausreichend sauerstoffreichem Wasser ebenfalls überleben und arbeiten können. Das ist auch der Grund, warum diese Bakterien ein Teil des ganz normalen Staubs sind - es reicht also im Prinzip aus, das Aquarium eine Weile einfach stehen zu lassen, die passenden Bakterien kommen von ganz alleine. Hier hat man allerdings nicht in der Hand, welche Arten sich ansiedeln und ob sich eine ausgewogene Bakterienflora bildet.
Material aus laufenden Becken
Die Filterbakterien siedeln zudem auf sämtlichen Grenzflächen im Aquarium, also vorwiegend auf allen Oberflächen: Wurzeln, Steinen, Pflanzen, den Körnchen des Bodengrundes ...
Bringt man nun etwas aus anderen Aquarien ein, also eine bereits benutzte Wurzel oder eine Pflanze, bringt diese gleich auch die entsprechenden Bakterienfilme mit. Auch dies ist eine Möglichkeit, für einen entsprechenden Grundstock an Bakterien zu sorgen. Auch hier geht die Entwicklung der Bakterien langsam, die Einfahrphase wird nicht wesentlich verkürzt.
Animpfen mit Filtermulm
Durch das sogenannte "Animpfen" durch Ausdrücken eines Filterschwamms aus einem laufenden Becken bringen wir direkt eine Riesenmenge nützliche Bakterien ins Aquarium ein, was die Einfahrzeit verkürzen kann. Kann - nicht muss, es ist dennoch möglich, dass es zu den oben genannten Peaks kommt, auch wenn sie häufig sehr klein ausfallen. Wissen sollte man allerdings, dass sich in jedem Aquarium eine ganz eigene Bioflora aus Bakterien herausbildet, die genau für die Verhältnisse in diesem Aquarium ausgelegt sind - es kann hier zu einer starken Verarmung an Arten kommen. Es ist nicht zwingend gesagt, dass diese Bioflora dann für das neue Aquarium auch passt, und es gibt in der aquaristischen Praxis immer wieder Aquarien, die mit Filtermulm angeimpft werden und dennoch nie so richtig ins Laufen kommen.
Animpfen mit einem Bakterienpräparat
Ein neu eingerichtetes Nano-Aquarium.
Bakterienpräparate wie Seachem Stability oder JBL Filter Boost enthalten eine große Zahl verschiedener Bakterien, aus denen sich die spezifische Bakterienflora herausbilden kann, die für dieses eine Aquascape oder Aquarium perfekt ist. Aus demselben Grund ist es übrigens eine gute Idee, das Aquarium ab und zu mit Bakterien nachzuimpfen. Die Verhältnisse können sich auch in laufenden Becken ändern und dann ist es möglich, dass die verarmte Bakterienflora nicht mehr perfekt angepasst ist. Von daher ist es sinnvoll, ab und zu "nachzuschieben". Eine richtige Lagerung vorausgesetzt, sind diese Filterstarter aus dem Handel sehr effektiv. Dennoch sollte man das Aquarium nicht sofort besetzen, sondern sich das System erst einmal entwickeln lassen. Ganz wichtig ist hier jedoch eine Futterzufuhr, damit die neu eingebrachten Bakterien nicht gleich wieder absterben. Dazu reichen wenige Futterflocken pro Woche aus.
Animpfen mit einem Erdaufguss
Weil Filterbakterien Bodenbakterien sind, funktioniert auch ein Mittel aus dem guten alten Werkzeugkasten der Ur-Aquaristik sehr gut: Der Erdaufguss. Dazu gibt man einfach ein paar Krümel unbehandelte Gartenerde in ein Glas Wasser, rührt gut durch und lässt die Erde wieder absitzen. Von diesem Wasser gibt man je 50 Liter Aquarienwasser ca. 1 Esslöffel ins Becken. Damit erhält man eine große Vielzahl von verschiedenen Bakterien, aus denen sich dann die passende Bioflora herausbilden kann. Achtung: Zu viel Erdaufguss kann beeindruckende Bakterienblüten nach sich ziehen, man sollte also definitiv nicht zu viel davon ins Aquarium kippen. Auch hier sollte man der Aquarienbiologie etwas Zeit geben, sich zu stabilisieren, bevor man besetzt.
Die Peaks - Ammonium-Peak
Da sich die Bakterien nach und nach anpassen, durchläuft ein Aquarium in der Einfahrphase verschiedene sogenannte Peaks. Zunächst steigt das Ammonium an, weil die Bakterien, die Ammonium abbauen, noch nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Meist geht der Ammoniumpeak relativ unspektakulär und unbeachtet vorüber, weil Ammonium an sich keinen negativen Einfluss auf die Aquarientiere hat. Nicht ganz so harmlos ist das Ammoniak, das bei hohen pH-Werten anteilig entsteht, hier kann es je nach Konzentration zu deutlichen Vergiftungserscheinungen kommen, aus diesem Grund sollte man zumindest am Anfang in einem schnell mit Tieren besetzten Aquarium den Ammoniumgehalt mit einem geeigneten aquaristischen Wassertest überwachen. Bilden sich genügend Ammonium verstoffwechselnde Bakterien, ebbt die hohe Konzentration an Ammonium / Ammoniak wieder ab und der nächste Peak kündigt sich an: Der häufig gehörte Begriff "Nitrit-Peak".
Die Peaks - Nitrit-Peak
Hiermit wird das Phänomen bezeichnet, dass nach dem Anstieg des Ammoniums/Ammoniaks entsteht - Nitrit ist die nächste Abbaustufe im Stickstoffkreislauf. Auch hier sind noch nicht genügend Nitrit abbauende Bakterien vorhanden, weshalb die Nitritkonzentration im Wasser deutlich ansteigen kann. Mit einem entsprechenden Nitrit-Test kannst du diesen Peak nachweisen, auch wenn hin und wieder schon Nitritwerte im Aquarium vorkommen können, die den Test "sprengen" und zu Anzeigen führen, die nicht mehr auf der Skala zu finden sind. Keine Panik jedoch, die Nitrit abbauenden Bakterien vermehren sich und der Nitritwert sinkt wieder.
Die Nitrit abbauenden Bakterien verstoffwechseln NO2 zu Nitrat (NO3). In der Folge steigt der Nitratwert im Aquarium leicht an. Er sollte durch einen Nitrit-Test überwachen. Steigt er übermäßig an, muss so viel Wasser gewechselt werden, bis er wieder in fischverträglichen Regionen ist - gegebenenfalls auch öfter.
Der Erstbesatz
Weil das biologische System im Aquarium anfangs noch recht fragil ist, sollte man nicht direkt alle Fische einsetzen, sondern den Bakterien Gelegenheit geben, sich zahlenmäßig an das höhere Nährstoffangebot anzupassen. Optimal ist es, mit unempfindlichen Schnecken wie Malaiischen Turmdeckelschnecken oder Posthornschnecken zu beginnen. Die bei den Aquascapern so beliebten Algenfresser wie Rennschnecken oder Geweihschnecken sollten jedoch nicht in frische Aquarien gesetzt werden - sie benötigen eine beeindruckende Menge an Algen und Biofilmen und würden hier schlicht verhungern! Danach geht man dann über zu Garnelen - Amanogarnelen oder Neocaridina sind hier eine gute Wahl und können dabei helfen, die Aquarienbiologie in Schwung zu bringen. Danach könnte man zum Beispiel mit einigen Welsen weitermachen (vorausgesetzt, es ist mittlerweile genügend Aufwuchs vorhanden) und dann folgen die Schwarmfische wie zum Beispiel Neons oder Bärblinge.
Espes Bärblinge, Rasbora espei. Copyright: Chris Lukhaup.
Welche Algen im noch instabilen Ökosystem im Aquarium während der Einfahrphase gerne auftreten und wie man hier am besten agiert, haben wir in einem separaten Wiki-Artikel erklärt: "Algen in der Einfahrphase". Wie man in der Einfahrphase am besten düngt, lest ihr hier: "Düngung in der Einfahrphase".
Header Foto: Copyright by Chris Lukhaup.