Vor einigen Jahren tauchte Tono Dreßen wie aus dem Nichts als Teilnehmer bei einem Aquascaping-Contest während einer Aquaristik-Messe auf - und ist seitdem fester Bestandteil der deutschen Aquascaping-Szene. Dabei gehört er sicherlich zu den wenigen Vertretern der Zunft mit einer besonderen Leidenschaft dafür, für einen Wettbewerb alles aus einem Aquascape herauszukitzeln und die Gestaltung auf den Punkt zu bringen. Zudem bereichert Tono die Szene durch seine offene, freundliche und kommunikative Art. Für unsere Aquascaping Wiki hat er sich bereit erklärt, einige Fragen zu beantworten. Lest das äußerst detailreiche Interview mit Tono Dreßen (TD), welches von Aram Schneider (AS) für Aquasabi durchgeführt wurde.
Das Interview
AS: "Was sind deine Einflüsse, woher nimmst Du deine Inspiration und Ideen? Welche Künstler haben dich beeinflusst?"
TD: "Ich suche gezielt nach Landschaften, die mich für ein neues Layout reizen könnten. Es gibt es also meist eine Art „Zielfoto“ in meinem Kopf, und die Idee gärt vor sich hin. Welches Material erfüllt diesen Zweck, welche Pflanzen passen zu den Proportionen? Alles weitere passiert auf dem Weg, das Bild vervollständigt sich nach und nach. Das kann dauern, manchmal braucht es Monate, und manchmal klappt es auch gar nicht. Oft reduziert sich mit der Zeit ein solches Landschaftsbild in meinem Kopf von einem Panorama zu einem Detailschnitt. Es wird also im fortlaufenden Prozess immer kleinteiliger.
Inspiration lauert überall, auf Reisen, unterwegs im Wald oder einem Botanischen Garten, auf Fotos ... Und manchmal ist es einfach nur die Lust auf etwas Unbequemes, etwas Neues, also z. B. endlich mal Utricularia graminifolia auszuprobieren oder eben Dinge zu versuchen, die andere schon so viel besser gelöst haben als man selbst. Ganz grundsätzlich beschäftigen mich ästhetische und gestalterische Konzepte. Mich fasziniert Design, ich mag die Moderne und die zeitgenössische Kunst.
Takashi Amano ist unser aller Hausheiliger, der Vater der Bewegung, wenn man so will. Er gehört zu meiner Frühprägung so wie niemand sonst im Hobby. Ich bin nach wie vor beeindruckt von der Qualität, Akribie und Leidenschaft, die bis heute in Niigata zu Hause ist. Definitiv ein Sehnsuchtsort für mich, aber für wen denn auch nicht? Die Szene rund um das Aquascaping ist mittlerweile so international und vielfältig, dass es an Vorbildern im Hobby wahrlich nicht mangelt. Fast müßig, sie alle aufzuzählen. Aber vor allem sind es immer wieder einzelne Arbeiten anderer Aquascaper*innen, die mir ins Auge fallen, mich beeindrucken und damit ganz sicher auch inspirieren.
Ich finde aber auch, dass sich das Niveau der Spitzenklasse über die letzten Jahre nochmals enorm gesteigert hat, fast etwas einschüchternd. Manchmal wird selbst mir das zu viel und ich sehne mich nach ein wenig Abkühlung auf dem Gipfel des Olymp - letztlich also etwas weniger Modellbau, dafür etwas mehr Natur. Ich verstehe aber, dass die, die es können, stetig auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind. Und das wiederum erhält uns irdischen Hobbyisten die Spannung beim Zusehen."
AS: "Ich kenne dich vor allem als Aquascaper, der mit Begeisterung an Live-Aquascaping Contests teilnimmt, z.B. beim ENAC auf der Aqua Expo Messe. Was macht dir an solchen Events den besonderen Reiz aus?"
TD: "Man wird im Austausch schlicht besser. Man geht mit neuen Bildern im Kopf aus solchen Wettbewerben. Der Horizont wird weiter, und die persönlichen Ansprüche wachsen. Aber vor allem: ein Wettbewerb, besonders ein Live-Contest, lehrt dich Demut! Man kommt mit großem Schöpferstolz aus dem Hobbykeller und erwartet, dass einem die Welt zu Füßen liegt. Tut sie aber nicht. Wenn es gut läuft, sind auf solchen Messen und Veranstaltungen immer Leute, die es so unendlich viel besser können als du. Und dann beginnt das Lernen. Inspiration, Ansporn und all die Tipps und Tricks aus erster Hand gibt’s frei Haus. Die Community im Aquascaping ist extrem dynamisch, sehr international, aber vor allem ist sie eines: offen … und sie ist hilfsbereit!
Die Vernetzung im Hobby ist global und viel weitläufiger, als man es eventuell von außen wahrnimmt. Social Media in allen Facetten, insbesondere aber Instagram, befeuern das Hobby extrem. Es wird auf allen Kanälen getextet und gechattet. Trotzdem oder gerade deshalb hat das persönliche Treffen einen besonderen Reiz, eine andere Atmosphäre. Solche Veranstaltungen sind in Wahrheit eher Klassentreffen und Kontaktbörsen, quasi Jahreshauptversammlungen der Aquascaping-Gilde. Und selbst wenn du noch niemanden kennst, noch neu im Hobby bist, die Leute vor Ort sind ansprechbar, sie helfen gerne und freuen sich, wenn du sie ansprichst.
Wettbewerbe, insbesondere so ein Live-Contest, haben ein klares Suchtpotential. Der Einstieg ist nicht sonderlich schwer, man muss sich schlicht überwinden."
AS: "Wie ist Dein Düngekonzept bei Pflanzenaquarien?"
TD: "Bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Die Kurzfassung ist, ich tue, was eben nötig ist, mittlerweile eher etwas weniger dogmatisch und dafür etwas lockerer aus der Hand heraus.
Tatsächlich muss ich aber auch zugeben, dass mich dieser Bereich im Hobby in seiner komplexen, wissenschaftlichen Breite gar nicht so stark fasziniert. Ich bin kein Chemielaborant und verzichte nahezu komplett auf Wassertests, wenn ich denn kann. Nicht, weil Tests nicht sinnvoll oder aufschlussreich wären, sondern weil sie mich langweilen. Und wenn wir ehrlich sind, gibt es wohl kaum ein Thema, vielleicht neben der Filterung von Aquarien und dem Nerdy Talk über Leistungswerte von LEDs, über das bis zum heutigen Tag so leidenschaftlich und bisweilen hoch emotional debattiert wird. Am Ende gilt aber: „Wer heilt, hat Recht!“. Das alles ist übrigens keine Entschuldigung dafür, sich nicht mit den Grundlagen vertraut zu machen. Regeln kann man leichter ungestraft ignorieren, wenn man sie kennt und bestenfalls auch ein wenig davon verstanden hat.
Bei allem ist CO2 für mich eigentlich Pflicht. Ich bevorzuge meistenteils eher magere Werte als einen krassen Nährstoffüberschuss. Die Gefahr, zu sehr am Zünder zu drehen, ist somit ziemlich gering. Und ich mag die tägliche Auseinandersetzung mit den Becken. Eine tägliche Düngung funktioniert daher für mich ganz ausgezeichnet."
AS: "Was ist dein Lieblingsmaterial, z.B. welche Steinsorten und Wasserpflanzen?"
TD: "Tatsächlich keine einfache Frage. Aber offenbar wechselt meine Leidenschaft für Materialen und Pflanzen von Projekt zu Projekt. Einfacher könnte ich benennen, was nicht zu meinen Lieblingen zählt, nämlich Drachensteine und Spiderwood. Und genau deshalb sollte ich wohl endlich damit arbeiten. Eine wichtige Erkenntnis war für mich, dass ein analytischer Blick auf die persönlichen Abneigungen ganz aufschlussreich ist. Unbequeme Materialen und Pflanzen, mit denen man eher fremdelt, und das Bemühen um einen besseren gestalterischen Umgang damit, eröffnen einem neue Horizonte.
Ich habe ein ausgeprägtes Faible für kleinblättrige Bucephalandra, je winziger, desto besser - ganz sicher bedingt durch meine Leidenschaft für Nanoaquarien. Ich habe vor einigen Jahren angefangen, vielen Leuten in ganz Europa mit meiner Suche danach auf die Nerven zu gehen. Im Handel sind entsprechende Nachzuchten bislang noch kaum zu finden, eine echte Lücke im Sortiment der Gärtnereien. Kein besonderes Faible habe ich übrigens für die Fantasie- und Handelsnamen der unterschiedlichen Sorten. So gesehen bin ich wiederum kein guter Sammler. Übrigens bleibt das Thema von Bucephalandra-Importen direkt von Borneo weiterhin nicht unkritisch, wie so oft im Hobby bei vergleichbaren Themen. In wieweit kann man eigentlich Wildaufsammlungen noch verantworten? Selbst wenn man es nicht moralinsauer durchdekliniert, bleibt es eine komplexe und spannende Frage, die zu einen bewussten Umgang damit auffordert."
AS: "Wie lange betreibst Du das Hobby schon?"
TD: "Es ist fast 20 Jahre her, als ich mir im Baumarkt sehr spontan und extrem unüberlegt ein Aquarium gekauft habe: das unvermeidliche Einsteiger-Komplettset. Das Internet lag noch in den Windeln, man vertraute den Ratschlägen aus den Untiefen der Aquaristik, und als Neuling war ich leider etwas unfolgsam. Die Katastrophe nahm ihren Lauf.
Mir ist aber damals auch eines der ersten Bücher über Takashi Amano bei einem örtlichen Zoomarkt in die Hände gefallen. Der Händler hielt es damals übrigens für recht überkandidelten Mist. Abgesehen davon gab es von den edlen Dingen aus Japan auch nichts bei uns zu kaufen - und wenn, wäre es vollkommen unerschwinglich gewesen. Aber für mich war klar, genau so muss es aussehen! Das tat es dann aber nicht, ganz und gar nicht. Aber die Bilder waren von da an unauslöschlich in meinem Kopf.
Mit schlichter Technik, gefährlichem Halbwissen, dafür aber mit fragwürdigen gestalterischen Konzepten habe ich mich durch die kommenden Jahre gehangelt. Mit Aquascaping hatte das alles eigentlich nichts zu tun. Die aufregenden Gründerjahre der Scaping-Szene in Deutschland habe ich dann schlicht verschlafen, von all den Pioniertaten erfuhr ich erst Jahre später. Als ich z.B. Flowgrow entdeckte, war die erste und zweite Generation von Aquascaper*innen schon seit Jahren auf den Beinen und befeuerten das Hobby. Erst der Siegeszug der Wirbellosen, der Nanoaquaristik und der LED-Technik machten für mich das Thema Aquascaping wieder schlagartig interessant. Alles war auf einmal erreichbar und möglich. Vor ca. fünf oder sechs Jahren habe ich alles verschenkt, was sich bis dahin um mein Hobby herum angesammelt hatte, inklusive dem Aquarium selbst. Es war Zeit für ein völliges Reset, eine echte Katharsis. Ich habe damals absolut neu angefangen und es keine Sekunde bereut."
AS: "Was sind Deine größten Erfolge in Wettbewerben?"
TD: "Nominell wäre es wohl der Sieg beim ENAC 2018. Aber tatsächlich war ein dritter Platz beim „The Art of the Planted Aquarium 2019“ in Magdeburg völlig unerwartet und ein großes Ding für mich. Live vor Ort und mit Le-Mans-Start war und ist dieses Wettbewerbsformat absolut jenseits meiner Komfortzone. Das Starterfeld war beängstigend hochkarätig, die Jury ein erlesenes Who´s Who der Aquascaping-Welt, und die Layouts der anderen Teilnehmer*innen waren am Ende entsprechend beindruckend. Überhaupt scheine ich ein Händchen für dritte Plätze zu haben: Rang 3 beim ENAC 2019 in Dortmund, aber vor allem Nr. 3 in der Nano-Kategorie des EAPLC 2020. Das war definitiv mehr, als ich mir erhoffen durfte.
Und manchmal liegen die Erfolge auch einfach jenseits der Turnierplätze. Zu den stolzesten Momenten meiner Laufbahn zählt tatsächlich ein einfacher, kleiner Instagram-Kommentar. „It´s beautiful!“ stand da unter einem meiner Posts zum ENAC/EAPLC Layout, hinterlassen von Yusuke Homma, ADA."
AS: "Deine Aquarien zeichnen sich meiner Meinung nach durch eine besondere Sauberkeit aus. Inwiefern ist dir dieses Thema und die damit verbundene Pflege des Aquariums wichtig?"
TD: "Absolute Makellosigkeit und vollkommene Symmetrie wirken bekanntermaßen schnell artifiziell. Erst kleine Unregelmäßigkeiten und Fehler, gepaart mit ein wenig Patina, sorgen für aufsehenerregende Schönheit. Und genau deshalb sind Details der absolute Schlüssel zum Erfolg. Alle Faktoren sind für die Gestaltung relevant. Da bin ich gern kompromisslos. Blasen in der Rückwandfolie, Algenbeläge auf Scheiben und Hardscape, eine verwirbelte Sandlinie, wer kennt's nicht? Trotzdem sollte man sympathische Schönheitsfehler nicht mit Unachtsamkeit verwechseln. Kleinen Mängel bekommt man gut in den Griff, Achtsamkeit lohnt sich und der Grenzertrag ist enorm! Ein cleaner Gesamteindruck macht sich schlicht dadurch bezahlt, dass das Auge des Betrachters nicht von der eigentlichen Bildkomposition abgelenkt wird. Genau deshalb gehe ich gerne eine Extrameile, wo immer ich kann.
Zudem bin ich fest davon überzeugt, dass das gesamte System unserer Becken von einer regelmäßigen Routine und einem gewissen Aufwand in der Pflege profitiert. Wir fahren die Aquarien ziemlich oft am Rand zum roten Bereich, einfach um die optimalsten Ergebnisse zu erzielen. Warum dann ausgerechnet am Ölwechsel sparen?
Bei aller Besessenheit muss ich aber auch zugeben, dass es einen Unterscheid macht, ob man ein Aquarium auf einer Messe bzw. einem Wettbewerb präsentiert oder ob das Becken im regulären Alltagsbetrieb daheim steht. Ich würde daher sicher nicht an jedem Tag die Tür öffnen, wenn du bei mir überraschend anklingelst, um meine Aquarien zu fotografieren."
AS: "Wenn Du dich für einen schönen Stein oder für eine schöne Wasserpflanze entscheiden müsstest, was würdest du nehmen?"
TD: "Ein schlechtes Hardscape verzeiht nicht. Um Pflanzen, die evtl. nicht so strahlend daher kommen, kann man sich mit guten Ideen, mit Liebe und Leidenschaft bemühen. So entsteht eigentlich immer etwas Gutes. Meine Wahl ist also klar: nimm den Stein! Der Rest kommt dann wie von allein."
AS: "Vielen Dank für das Interview."
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