Vor allem für den fortgeschrittenen Aquarianer ist eine Stickstoffdüngung der Wasserpflanzen über Harnstoff (Urea) eine denkbare Alternative. Welche Vor- und Nachteile eine Urea-Düngung hat und wie man am besten dabei vorgeht, erklären wir in diesem Beitrag.
Was ist Urea?
Bei Harnstoff denkt man direkt an Urin, jedoch wird dieser als Harnsäure bezeichnet. Der Harnstoff, welcher auch Urea oder Carbamid genannt wird, ist nur ein Bestandteil der Harnsäure und chemisch gesehen ein sogenanntes Kohlensäurediamid, welches Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff beinhaltet. Es ist eine natürliche organische Verbindung. Als Feststoff ist Harnstoff eine weißliche und geruchslose Substanz und kann hervorragend zur Stickstoffdüngung von Pflanzen eingesetzt werden. Weitere Anwendungsgebiete finden sich vor allem in der Kosmetik beziehungsweise Medizin, aber auch in der industriellen Fertigung von etwa Kunstharzen.
Vorteile von Harnstoff als Stickstoffdünger
Mit rund 46 % weist Harnstoff (Urea) die höchste Konzentration an Stickstoff (N) auf, wenn man sonstige Stickstoffdünger miteinander vergleicht. Von daher ist dieser Dünger unglaublich ergiebig. Er enthält außer Stickstoff auch keine weiteren Nährstoffe, wie zum Beispiel Kalium, Magnesium oder Calcium, welche oft in anderen Düngern enthalten sind. Somit kann der Aquarianer mit Caramid den Stickstoffgehalt gezielt anheben, ohne andere Parameter im Aquarium zu beeinflussen. Möchte man also kaliumarm oder ohne Aufhärtung düngen, ist Urea eine attraktive Möglichkeit.
Da Urea recht schnell wasserlöslich ist, ist sowohl eine Düngezugabe per Feststoff, wie auch mit einer eigens gemischten Düngerlösung möglich. Das Nährsalz lässt sich also flexibel zuführen und ist einfach in der Handhabung. Manche Pflanzenarten besitzen für eine Düngung mittels Urea beziehungsweis der ersten Abbaustufe Ammonium eine gewisse Affinität. Es können sich also, je nach Art der Wasserpflanzen, nach einer Zeit der Umstellung durchaus Wuchssteigerungen und eine Optimierung der Pflanzengesundheit einstellen. Auch einige Dünger namhafter Hersteller bedienen sich dieser Vorteile und enthalten daher anteilig etwas Harnstoff, wie etwa der Aqua Rebell Makro Spezial N.
Nachteile von Harnstoff als Stickstoffdünger
Urea ist im Gegensatz zu anderen Stickstoffen wie Ammonium oder Nitrat nicht sofort für die Pflanzen verfügbar. Erst durch das Enzym Urease kann Harnstoff zu Ammoniak oder Ammonium-Ionen und Hydrogencarbonat-Ionen umgewandelt werden. Dieser Vorgang kann vor allem durch im Boden lebende Bakterien, Pilzen oder wirbellosen Kleinsttieren durchgeführt werden. Aber auch Pflanzen sind in der Lage, mittels Urease den Harnstoff umzuwandeln. Vor allem in Samen von Pflanzen ist Urease deutlich vorhanden. Bezogen auf ein Aquarium bedeutet dies zunächst einmal mal, dass man mit der Urea-Düngung langsam und sparsam beginnen sollte. Für die Umwandlung des Harnstoffes muss sich zunächst die nötige Bakterienfauna entwickeln, beziehungsweise die Pflanzen ihren enzymatischen Haushalt umändern. Zum anderen ist auch rein messtechnisch mit einem gewissen Zeitversatz zu rechnen, denn einen Wassertest für Urea gibt es in der Aquaristik nicht. Bis der Harnstoff zunächst zu Ammonium, dann zu Nitrit und letztendlich zu Nitrat umgewandelt wurde, vergeht durchaus etwas Zeit. Um Urea messtechnisch auszudrücken (mit einem NO3-Test), spricht man daher von einem Nitrat-Äquivalent, welches dem Wert entspricht, wenn Urea den kompletten Stickstoffkreislauf durchlaufen und als Endprodukt Nitrat dann ausgedrückt werden kann. In der Praxis im Pflanzen-Aquarium tut sich jedoch ein weiteres messtechnisches Problem auf, denn das Nitratäquivalent ist erstmal nur ein theoretische Berechnung. Auf der gesamten Strecke des Stickstoffkreislaufes, den der Stickstoff (ursprünglich als Urea zugegeben) durchläuft, kann nämlich bereits ein Verbrauch durch die Wasserpflanzen stattfinden, etwa in der Form von Ammonium. Bezogen auf eine Messung mit einem Nitrat-Test bleibt also ein gewisser Anteil quasi "auf der Strecke". Der Messwert drückt also mitunter nur einen Teil der zugeführten Menge an Urea als ermitteltes Nitrat aus. Der Nährstoff geht jedoch nicht verloren, sondern wird ja von den Pflanzen bereits verwertet. Von daher sollte der Aquarianer anstatt auf Messwerte mehr auf das Aussehen der Wasserpflanzen achten (Mangelerscheinungen bezüglich Stickstoff), um abschätzen zu können, ob die Stickstoffdüngung in diesem Maße ausreichend ist. Von daher ist diese Art der Düngung vor allem für fortgeschrittene Pflanzen-Aquarianer zu empfehlen.
Weitere Vorsichtmaßnahmen bei einer Urea-Düngung
Da Urea sozusagen am Anfang der Kette des Stickstoffkreislaufes steht, kann dies auch Auswirkungen auf die Konzentrationen von Ammonium/Ammoniak und Nitrit im Aquarium haben. Aus Gründen der Vorsicht sollten Dosierungen mit Urea stets sparsam angepasst werden und die Parameter NH4 und NO2 durch passende Wassertests überwacht werden, da beide Element giftig für die Bewohner sein können. Vor allem in Bezug auf Ammonium besteht eine starke Abhängigkeit zum pH-Wert im Wasser (nähere Erläuterungen dazu siehe hier).
Grundsätzlich empfiehlt sich eine Urea-Düngung daher nur in Aquarien mit einem pH-Wert (deutlich) unter 7. Schwankungen des pH-Wertes durch etwa Wasserwechsel, Aufhärtung oder CO2-Zufuhr gilt es demnach zu berücksichtigen. Vorsichtshalber sollte Urea nicht zu Zeitpunkten verabreicht werden, wenn der pH temporär ansteigen kann, also etwas direkt nach dem Wasserwechsel oder nachts, wenn die Beleuchtung und CO2-Zugabe ausgeschaltet ist. Auch Stoßdüngungen mit einem ureahaltigen Dünger, bei denen dann entsprechend große Mengen zugeführt werden, gilt es eher zu vermeiden.
Zugabe von Urea
Harnstoff lässt sich als Feststoff zugeben, noch besser ist jedoch die Herstellung einer eigenen Düngerlösung. Das Nährsalz ist schnell wasserlöslich und benötigt dafür keine hohen Gradzahlen, Raumtemperatur ist völlig ausreichend. Erhitzen sollte man die Düngerlösung auch nicht, da ansonsten eine Zersetzung stattfinden kann. Für die Berechnung der Nährstoffkonzentrationen verwenden wir den Flowgrow-Nährstoffrechner. Als kleine Berechnungshilfe lässt sich die Faustformel verwenden, dass 1 mg/l Urea ungefähr 2,06 mg/l NO3 als Nitratäquivalent ergeben. Andersherum gerechnet sind für 1 mg/l NO3 als Nitratäquivalent ca. 0,49 mg/l Harnstoff notwendig. Hierzu ein kleines Beispiel. Wir wollen 1 Liter Stickstoffdünger mit Harnstoff herstellen, die mit einer Dosierung von 1ml pro 50 Liter auf ein Nitratäquivalent von 1 mg/l NO3 kommt. Wir tragen die 1 als Volumen ein und wählen für die Berechnungsart "Nährstoffzufuhr pro 1 ml auf 50 l berechnen" aus. Unter "Nährstoff" lässt sich Urea als eigenständiges Element auswählen, unter "Produkt" wählen wir dann ebenfalls Urea - Carbamid. Unter Nährstoffzufuhr tragen wir basierend auf unserer Faustformel 0,49 mg/l Urea ein und klicken dann unten auf "Berechnen". Nun wird als Ergebnis unser Ziel von rund 1,01 mg/l NO3 als Nitratäquivalent angegeben. Der Zielwert ist also soweit stimmig. Scrollt man weiter runter, erhält man unter "Dosierung" die angegebene Menge an Harnstoff, welche wir für unsere Düngerlösung benötigen, in diesem Fall sind das 24,5 g Urea. Diese Menge gibt man nun in einen Messbecher und füllt diesen bis zur Marke von einem Liter mit demineralisiertem Wasser, welches über Raumtemperatur verfügt, auf. Nun kann mit einem geeigneten Gegenstand die Düngerlösung umgerührt werden, bis sich alle Partikel des Feststoffes aufgelöst haben. Anschließend lässt sich die fertige Lösung noch in eine passende Düngerflasche umfüllen. Nun ist der Harnstoff-Dünger einsatzbereit.