In unserem Hauptartikel über in-vitro-Pflanzen haben wir alle wichtigen Informationen über das Thema in-vitro-Aquarienpflanzen zusammengestellt. In dem hier folgenden Beitrag vertiefen und erklären wir wichtige Details zum Nährmedium von Wasserpflanzen, welche in vitro kultiviert werden.
Intakte höhere Pflanzen können grundsätzlich photoautotroph wachsen. Dies bedeutet, dass sie lediglich Licht, Wasser und eine ausreichende Nährstoffzufuhr benötigen. Blätter und Wurzeln erfüllen jeweils spezifische Funktionen für den Stoffwechsel, die zum Gedeihen des Gesamtorganismus beitragen. In der in-vitro-Kultur werden je nach Pflanzenart und Vermehrungsmethode oftmals nur einzelne Organe für die Vermehrung der Pflanze verwendet, weswegen hier ein speziell auf die Pflanzenart abgestimmtes Nährmedium zur Verfügung gestellt werden muss. Allen Nährmedien ist gemein, dass sie neben Wasser auch die für das Wachstum benötigten Makro- und Mikronährstoffe, Vitamine und gegebenenfalls Phytohormone enthalten.
Feste und flüssige Medien
Im Regelfall werden in-vitro-Pflanzen auf einem Festmedium kultiviert. Hierzu wird der Nährlösung ein Verfestigungsmittel wie zum Beispiel das Geliermittel Agar oder das Verdickungsmittel Gellan zugesetzt.
Agar wird aus den Zellwänden verschiedener Arten von Rotalgen gewonnen. Da es sich hierbei um ein Naturprodukt handelt, können je nach Reinheitsgrad des verwendeten Materials teilweise noch Rückstände von Salzen enthalten sein. Ein Gel auf Agar-Basis behält seine Festigkeit für praktisch unbegrenzte Zeit, weist jedoch eine deutlich sichtbare weißliche Trübung auf. Der Vielfachzucker Gellan wird biotechnologisch durch Mikroorganismen aus Pflanzenmaterial produziert. Der Stoff weist herstellungsbedingt eine sehr hohe Reinheit auf, sodass entsprechende Gele nahezu transparent erscheinen. Bedingt durch Änderungen im pH-Wert des Mediums erfolgt bei langen Standzeiten eine graduelle Verflüssigung. Sie hat jedoch keine Auswirkungen auf die zu diesem Zeitpunkt bereits eingewachsenen Pflanzen.
Vergleich Agar (l.) und Gellan (r.).
Beide Geliermittel sind für Aquarienbewohner vollkommen unbedenklich und werden zum Beispiel auch in der Lebensmittelindustrie zum Verfestigen von Suppen und Marmeladen eingesetzt. Dennoch ist es ratsam, das Gel vor dem Einpflanzen der in-vitro-Pflanzen gründlich zu entfernen, da dieses viele Nährstoffe und Zucker enthält und so vor allem in kleinen Aquarien zu einer bakteriellen Wassertrübung beitragen könnte (siehe auch "Vorbereitung von in-vitro-Pflanzen").
Das Kulturmedium besteht größtenteils aus Wasser und unterliegt somit in nicht verschweißten Töpfen immer einer gewissen natürlichen Verdunstung. Gelegentlich kann dies dazu führen, dass das Medium einer gewissen Schrumpfung unterliegt. Das Nährmedium ist in solchen Fällen aber keineswegs “verbraucht” oder überaltert und enthält in der Regel noch immer alle notwendigen Nährstoffe.
Geschrumpftes Nährgel.
Statt einer Schrumpfung kann es mit der Zeit oder während des Transportes auch zu einer gewissen Verflüssigung des Mediums kommen. Die verwendeten Gelbildner formen beim Erkalten auf molekularer Ebene eine Art ‘Schwamm’, welcher Wasser aufnimmt. Wird diese Struktur gestört, so kann sie das gebundene Wasser wieder freisetzen, und das Medium verliert an Festigkeit.
Beide Phänomene sind in erster Linie technisch bedingt und kein Qualitätsmerkmal für die auf dem Medium kultivierten Pflanzen. Sie können unabhängig vom Zustand des Mediums bedenkenlos im Aquarium verwendet werden, schließlich sollte dieses vor dem Einpflanzen ohnehin entfernt werden.
Die Firma Tropica verzichtet in ihren 1-2-Grow!-Verkaufstöpfen inzwischen größtenteils auf die Verwendung von festen Kulturmedien. Dies hat den Vorteil, dass das flüssige Nährmedium lediglich abgegossen und eventuell noch kurz abgespült werden muss. Das aufwändigere Entfernen des festen Mediums entfällt, und die Pflanzen können so schneller eingepflanzt werden. Diese etwas anderen Kulturbedingungen können teilweise bei den Pflanzen in den 1-2-Grow!-Töpfen zu einem Habitus führen, welcher der submersen Form sehr ähnlich ist.
Reine Wasserpflanzen wie etwa Potamogeton gayi werden generell in einem Flüssigmedium ohne Zusatz von Gelbildnern kultiviert, da diese auch unter in-vitro-Bedingungen emers nicht überleben können.
Potamogeton gayi in flüssigem Nährmedium.
Die Farbe des Mediums
Wie bereits erwähnt, erhält das Nährmedium durch das verwendete Geliermittel einen charakteristischen Farbton, welcher von komplett durchsichtig bis milchig weiß reichen kann. Die Kultur bestimmter Pflanzen erfordert darüber hinaus weitere Zusatzstoffe, die die Farbe des Gels verändern können. Einer der verbreitetsten färbenden Zusatzstoffe ist beispielsweise Aktivkohle, welche das Medium stark eintrübt und grau bis tiefschwarz erscheinen lässt.
Die häufigste Ursache für Verfärbungen des Kulturmediums sind jedoch die Pflanzen selbst. Während des Wachstums sondern diese über ihre Wurzeln verschiedene Sekundärmetabolite an das Medium ab. Auch lassen sich während der Vermehrung von in-vitro-Kulturen durch Teilung und beim Bepflanzen der Töpfe kleinere Verwundungen der Pflanzen nicht vermeiden. Aus diesen Wundstellen sickern Pflanzensäfte und die darin enthaltenen Farbstoffe in das Nährmedium. Gelegentlich werfen in-vitro-Pflanzen in ihrem Topf darüber hinaus auch einzelne ältere Blätter ab, welche beim Zerfallen ebenfalls färbende Stoffe an das Medium abgeben können (siehe dazu auch: "Aussehen von in-vitro-Pflanzen, Abschnitt über braune bzw. entfärbte Blätter und Triebe").
Anders als in der Natur oder im Aquarium, wo die im Boden lebenden Mikroorganismen die Ausscheidungen der Pflanzen abbauen, beziehungsweise diese im dunklen Substrat schlichtweg nicht sichtbar sind, reichern sich die sekundären Pflanzenstoffe mit der Zeit im sterilen Nährmedium an und können so zu einer Verfärbung führen. Hierbei handelt es sich um vollkommen natürliche Vorgänge. In der Regel sind derartige Verfärbungen absolut unbedenklich und schaden den Pflanzen nicht.
Hier sieht man den zeitlichen Verlauf von der Becherunterseite aus. Nach und nach reichern sich Verfärbungen im Medium an.
Die häufigsten Beispiele für derartige Verfärbungen sind:
Wasserhyazinthengewächse wie zum Beispiel Heteranthera zosterifolia oder Eichhornia diversifolia produzieren große Mengen eines blau-schwarzen Pigments aus der Gruppe der Anthocyane. Dieses lässt das Nährmedium oftmals tiefschwarz erscheinen.
Anthocyane bei Eichhornia diversifolia.
Kleefarngewächse wie zum Beispiel Marsilea crenata weisen einen hohen Gehalt an Carotinoiden auf. Diese führen im Medium oftmals zu einer gelblich-orangen Färbung.
Carotinoide bei Marsilea crenata.
Phenolische Substanzen dienen der Pflanze unter anderem als Botenstoffe und zum Schutz vor Fressfeinden. Diese Stoffe sind stark reaktiv und führen in der in-vitro-Kultur vor allem im Wurzelbereich zu einer bräunlichen bis schwarzen Verfärbung des Nährmediums. Dieser Effekt tritt zum Beispiel besonders bei Rotala-Arten auf. In jungen Kulturen kann ein Übermaß solcher Stoffe zu Schädigungen führen, für erwachsene Pflanzen in den Verkaufstöpfen stellt dies jedoch keine Gefahr dar.
Phenolische Ausscheidungen an Cyperus helferi.
Verfärbtes Kulturmedium und ruppiger Versand
Besonders erschreckend können in-vitro-Aquarienpflanzen aussehen, die aus den verschiedenen oben dargelegten Gründen ein verfärbtes Nährmedium besitzen und nun außerdem durch den Paketversand deutlich hin und her geschüttelt werden. Durch die Bewegung beim Pakettransport werden Pflanzenmaterial und Nährgel vermischt und zum Teil auf eine Seite zusammengeschoben. Heraus kommt mitunter ein auf den ersten Blick unansehnlicher Pflanzenball, der mit braunem Kulturmedium vermischt wurde. Sehr schön sehen kann man den Unterschied bei folgendem A/B Fotovergleich:
Vollkommen vital aussehende in-vitro-Pflanze mit braunem Nährmedium vor dem Versand.
Dieselbe Pflanze nach einem besonders ruppigen Versandweg.
Auch wenn das Ergebnis erst einmal wirklich erschreckend aussieht: Die Pflanze ist in diesem Fall noch absolut gesund und weder matschig noch schlecht geworden. Die Braunfärbung kommt lediglich durch das ältere Kulturmedium in Kombination mit dem ruppigen Versand zustande. Die in-vitro-Wasserpflanze kann also ohne Probeme und Benachteiligung verwendet werden und wird, entsprechende gute Nährstoffbedingungen vorausgesetzt, gut anwachsen und gedeihen. Wie immer sollte das Medium vor dem Einpflanzen gründlich ausgespült werden. Weitere Information zum Thema Versand von in-vitro-Ware findest du hier.